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Gruppe 3 Demonstrieren erlaubt!Wie die Demokratie Protest unschädlich macht
Die Praxis des Demonstrationsrechts am Beispiel der Blockupy-Aktionstage in Frankfurt Vortrag und Diskussion mit Peter Decker, GegenStandpunkt Mitte Mai diesen Jahres wollte ein Bündnis linker Organisationen unter der Parole „Blockupy Frankfurt“ mehrtägige Aktionen durchführen. Der Protest richtete sich „gegen das Spardiktat der Troika“ aus EU-Kommission, EZB und IWF, die, unter maßgeblicher Beteiligung von Deutschland und Frankreich, die „Völker Europas systematisch verarmen“, um ihrer Eurozone das verlorene Vertrauen der Finanzmärkte wieder zu sichern. Um die Kritik an die Bevölkerung zu bringen, sollte auf öffentlichen Plätzen, die sich die Demonstranten „nehmen“ wollten, darüber diskutiert werden; und um die praktische Stoßrichtung des Protests zu unterstreichen, sollte die EZB und der Frankfurter Finanzdistrikt einen Tag lang symbolisch blockiert werden. Mit Verweis auf möglicherweise drohende Ausschreitungen verboten die Stadt, die Polizei, das Hessische Innenministerium und das Frankfurter Verwaltungsgericht die drei Aktionstage, setzten das Verbot mit täglich 5000 Polizisten durch und „schützten“ mit noch mehr Polizisten die Teilnehmer an der dann doch noch erlaubten Abschlussdemonstration davor, „Gewalt gegen Personen und Sachen“ auszuüben. Die Institutionen der kritischen Öffentlichkeit berichteten über die Ereignisse. Jedoch nicht in dem Ton, den sie bei ähnlichen Vorkommnissen in Russland oder Weißrussland anschlagen: Dort sind Verbote oder die gewaltsame Auflösung nicht genehmigter Aufmärsche klare Fälle von politischer Unterdrückung. In Deutschland ist es umgekehrt: Da schürten dieselben Presseorgane Ängste vor „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ und unterstützten, ja forderten das Verbot der Aktionstage. Durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die „Gewaltfrage“ schützten sie die Bürgerschaft davor, sich etwa mit der Kritik der Demonstranten an der deutschen und europäischen Politik zu befassen. Sie sollten sich nicht als die Angesprochenen des Demonstrations-Anliegens, sondern als von „Randale“ bedroht verstehen. Die Demonstranten, die diese Öffentlichkeit für die Verbreitung ihres Einspruchs nutzen wollten, bekamen von den Medien die einstimmige Antwort: Nichtbefassung mit ihren politischen Thesen. Trotz des traurigen Schicksals, das die lokalen Behörden und die Presse ihrem Kapital-kritischen Anliegen bereitet hatten, zogen die Veranstalter des Protests eine positive Bilanz: Sie verwiesen darauf, dass der Polizeieinsatz total übertrieben gewesen sei, besprachen ihre Demonstration als Widerlegung der Gefahrenprognosen der Polizei und rechneten es sich als Verdienst zu, friedlich demonstriert zu haben. Sie übernehmen nicht nur den polizeilichen Beurteilungsmaßstab für Demonstrationen, nämlich die „Verhinderung von Gewalt“, sie setzen damit ausdrücklich ihre Kritik am Finanzkapital hinter das Recht zurück, dafür öffentlich eintreten zu dürfen. An dieser Front meinen sie, gepunktet zu haben. Es hat eine gewisse Logik, dass Demonstrationen, was immer ihr kritischer Ausgangspunkt gewesen sein mag, als Streit ums Demonstrationsrecht enden - und sich die empörten Protestler diesen Themenwechsel nicht nur gefallen lassen, sondern aktiv mitmachen. Am Schluss greifen sie die Verhältnisse nicht mehr mit ihrem sozial oder politisch motivierten Vorwurf an, sondern verteidigen die Demokratie. Die Logik dieses Übergangs soll auf der Vortragsveranstaltung aufgezeigt und und kritisiert werden.
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