Gruppe 3

Warum Demokraten an der Kritik des Faschismus scheitern!

OrtAPEX, Burgstr. 46, Göttingen
Zeit27.10.1998 ab 19:00h
1 Der Faschismus war ein Unrechtsregime und Hitler ein Verbrecher. Mit seiner Machtergreifung war das Ende der Demokratie besiegelt. Alle Bürgerrechte wurden außer Kraft gesetzt und die Gewerkschaften verboten. Zwar haben die Deutschen zu ihrem großen Teil die faschistische Diktatur mitgemacht, jedoch mehrheitlich gegen ihren Willen und in Unkenntnis der sinnlosen Greuel, die er angerichtet hat. Vom Holocaust an den Juden haben die meisten erst nach dem Untergang des Dritten Reiches erfahren. An seinem Weltkriegsprogramm läßt sich noch einmal Hitlers Größenwahn ablesen. Selbst als der Krieg schon verloren war, hat er noch an den Endsieg geglaubt. Die Demokratie dagegen ist die Überwindung des Faschismus und ein Bollwerk gegen ihn. Sie duldet weder Antisemitismus noch Rechtsradikalismus, sie erlaubt dagegen Gewerkschaften und garantiert die Meinungsfreiheit. Nach innen ist sie rechtsstaatlich organisiert und nach außen um die Sicherung von Frieden und Freiheit bemüht. 2 So lautet die Quintessenz heutiger Faschismuskritik. Sie findet sich in Schulbüchern, ist regelmäßig den Reden von Politikern zum 20. Juli zu entnehmen und wurde von seiten der etablierten deutschen Faschismusforschung auch Goldhagen entgegengehalten. Um eine zutreffende Kritik des Faschismus handelt es sich dabei nicht. Jedes dieser Urteile ist falsch. In jedem steckt zugleich eine Verharmlosung des Faschismus. Der Faschismus war kein Unrechts-, sondern ein Rechtsstaat, nur eben einer, der die faschistische Staatsräson in Gesetze faßte. Hitler war ein Politiker, der es mit der von ihm geführten Partei zum umworbenen Konkurrenten um die Macht brachte. Nach seiner Ernennung zum Kanzler benutzte er die Macht dazu, jeden Konkurrenten auszuschalten und seine Politik, die faschistische, durchzusetzen. Die Bürgerrechte und Gewerkschaften wurden nicht einfach abgeschafft, sondern zu Instrumenten der neuen Herrschaft umgestaltet. Die Deutschen haben dem Faschismus mehrheitlich gute Gründe zum Mitmachen entnommen. Sie stützten entweder Hitlers Antibolschewismus oder seine Absicht, endgültig die „Schmach von Versailles“ zu tilgen; sie hatten schon immer etwas gegen die Juden oder fanden es an der Zeit, daß endlich wieder jemand in Deutschland die Ordnung herstellt und aufräumt. Alle guten Deutschen, die von Auschwitz erst nach Kriegsende erfahren haben (wollen), hatten den Antisemitismus erlebt, der mit Judenstern, Nürnberger Rassegesetzen oder der „Reichskristallnacht“ die eliminatorische Kriegserklärung gegen das jüdische Volk ankündigte. Hitlers Krieg schließlich ist nicht das Produkt eines kranken Hirns, sondern eine Variante von Imperialismus. Er hatte seine, eben faschistischen Gründe, sich in den Kampf um die Neuaufteilung der Welt einzuschalten und ihn gegen die Konkurrenz der anderen Großmächte zu führen. 3 Doch handelt es sich bei diesen Urteilen nicht nur um theoretische Verfehlungen. Sie dienen vielmehr alle einer Botschaft, die unschwer dem Prinzip der Fehler zu entnehmen ist: Faschismus wird immer nur als das negative Abziehbild von Demokratie vorgestellt. Da wird nicht das Rechtssystem des Nationalso-zialismus kritisiert, sondern vom Siegerstandpunkt aus zum „Unrechtssystem“ erklärt. Da wird nicht Hitlers politische Zielsetzung auf den Begriff gebracht, sondern vom Standpunkt ihrer moralischen Verurteilung zu einem Verbrechen erklärt. Da wird nicht darüber aufgeklärt, in welcher Funktion eine Gewerkschaft auch für faschistische Innenpolitik tauglich war, sondern die Abschaffung der weimarer Gewerkschaften durch Hitler mit ihrer Zulassung durch die Demokratie konfrontiert. Und jedesmal erhält der Nachkriegsdeutsche dieselbe äußerst schlichte Botschaft: Die Demokratie ist deswegen ein lobenswertes politisches System, weil sie nicht der Faschismus ist. Und umgekehrt heißt sie: Der Faschismus ist deswegen verachtenswert, weil er einfach nicht demokratisch ist. Auf diese Weise erfährt man weder etwas Zutreffendes über den Faschismus noch über die Demokratie. Dafür sitzt dann aber jenes bemerkenswerte Lob der Demokratie, das ganz ohne Begründung auskommt. 4 Es sitzt so fest, daß bis heute kaum zur Kenntnis genommen wird, daß das demokratische mit dem faschistischen System nicht nur die Feindschaftserklärung gegenüber dem Kommunismus teilt, sondern sich beide derselben Wirtschaftsweise, nämlich der kapitalistischen verschrieben haben; daß Demokraten wie Faschisten das Prinzip der Nationalstaatlichkeit verteidigen, sich dafür wehrhaft machen, Feinde dieses Prinzips nicht dulden und deswegen auch für Ausländer im Inland keinen Platz haben. Beiden gehen stabile Regierungen und ein treues Volk über alles und wo sie Untreue und Unordnung entdecken, da fällt beiden sofort ein, daß eine starke, Ordnung schaffende Hand her muß. Demokraten und Faschisten finden sich mit Niederlagen ihres Staatswesens nicht ab und teilen das politische Bedürfnis, ihre Interessen über ihre Staatsgrenzen hinaus global zu verfolgen. All dies spricht weder für die Demokratie noch ausschließlich gegen Faschismus. Und von einem Systemgegensatz zwischen Demokratie und Faschismus kann schon gar nicht die Rede sein. Sie verkörpern zwei Varianten der Konkurrenz um die Macht im bürgerlichen Nationalstaat – was zur Zeit nicht nur in Frankreich und Italien anschaulich vorgeführt wird. 5 Es darf also nicht verwundern, daß Antifaschisten heute immer nur rechtsradikale Netze entlarven, Straßenzüge von Skins befreien oder in der DVU, der NPD oder den REPs die Gefahr für Deutschland sehen, also eigentlich immer nur die Demokratie retten wollen.