Rote Liste

Die Ideologie zur aktuellen Politik: "Der Staat spart!"

Thesenpapier zum Vortrag von Peter Decker

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* Der Staat beschließt wieviel Geld er braucht und soviel holt er sich dann auch. Schranke der Besteuerung ist die Brauchbarkeit der Steuerquelle. Die Besteuerung des Konsums ist nach oben und nach unten variabel. Die Unternehmen dagegen rechnen mit der Besteuerung und würden bei höherer Besteuerung eventuell nicht mehr investieren, womit diese Steuerquelle auch unterbleiben würde. – Deswegen nimmt er auf diese Steuerquelle auch besondere Rücksicht.

* Was macht der Staat mit den Steuern? Erstmal braucht er die Einnahmen für sich selbst: für seinen Apparat, seine Verwaltung; zweitens für den Dienst, den er der Gesellschaft mit der Justiz, der Polizei, den Gefängnissen, etc. leistet; drittens für das Militär. Weiterhin: Er nimmt die Steuern für die Herstellung innerer Verhältnisse, in denen die Geschäfte gedeihen. Dies ist zirkulär: er holt sich das Geld u. a. von den GeschäftemacherInnen und gibt es für deren Förderung wieder aus (z. B. Infrastruktur, Telekommunikation, Energieversorgung, Arbeitsfähigkeit der Bevölkerung). Der Staat gibt also sein Geld für die Förderung seiner Einnahmeseite aus; er stellt die Steuerquellen her. Dafür benötigt er eine weitere Einkommensquelle zur schnelleren und besseren Herstellung der Steuerquellen: die Staatsschuld.

* Wenn einE KonsumentIn Kredit nimmt wird er/sie ärmer; nimmt ein Unternehmen Kredit wird es reicher, da der alleinige Zweck des Unternehmenskredit die Vermehrung des Gewinns ist. Beide müssen jedoch Sicherheiten vorweisen können. Wenn der Staat Kredit nimmt, dann vermehrt er damit nicht unmittelbar den Reichtum, sondern zieht damit welchen ab; der Staat nimmt Kredit, behauptet es sei Kapital, was es aber nicht ist, da er es für staatlichen Konsum benötigt.

* Was ist die "Sicherheit" für diesen Kredit? Der Staat ist der Herr des Geldes, er macht es und setzt es in Umlauf; seine Gewalt, seine Hoheit ist die Sicherheit. Der Staat ist in einer Gesellschaft immer das letzte Subjekt, das noch zahlen kann, weil er das Geld macht.

* Staatsverschuldung gilt häufig in der politischen Debatte als ein Finanzierungsquelle, die einen Vorteil hat: sie belastet die Geschäfte nicht. Das ist falsch: die Staatsverschuldung schädigt zwar nicht eineN Bestimmte, tatsächlich schädigt sie alle GeldbesitzerInnen gleichermaßen. Bemerkbar wird es dann, wenn die Leute, die was verkaufen können, entdecken, daß sie (durch die garantierte Nachfrage von Seiten des Staates) höhere Preise verlangen können.

* Exkurs über die Inflation: Inflation gilt als gefährliche Konsequenz zu hoher Staatsverschuldung. Was und wen schädigt die Inflation eigentlich? Zumindest nicht die Leute, die etwas zu verkaufen haben. Der "kleine Mann" leidet darunter; alle die, die festgelegte, also fixe Einkommen beziehen – wenn also die Kaufkraft bei gleichem Einkommen immer geringer wird. Für die Unternehmen dagegen werden die ArbeiterInnen im Laufe eines Jahres immer billiger, bis ein neuer Lohnkontrakt geschlossen wird. Auch der Staat macht mit der Inflation einen Gewinn, da durch die Inflation die ArbeiterInnen in eine höhere Steuerklasse kommen. Wenn Inflation tatsächlich gefährlich werden sollte, so gilt dies nur für zwei Momente. Das eine ist der Grad der Inflation: Der Übergang von der normalen zu der galoppierden Inflation gilt als gefährlich, weil es dann überhaupt keine Geschäftsrechnung mehr gibt. Das zweite Moment ist, wenn die Entwertung des Geldes gefährlich im Verhältnis zum Ausland wird. Im Inland ist die staatliche Hoheit mächtig genug, um den BürgerInnen das Akzeptieren der staatlichen Zettel abverlangen zu können. Die wirkliche Beschränkung der Staatsschuld ist die Brauchbarkeit des Geldes nach außen.

* Jeder Staat hat das Ziel Schulden zu machen und sie als gutes Geld zirkulieren zu lassen. Das ist echte ökonomische Souveränität; eine politische Vermehrung des Geldes. Dieses Ideal schaffen inzwischen nur noch 3 Nationen: USA, Deutschland und Japan. Die Vereinigten Staaten haben diese Fähigkeit aus dem zweiten Weltkrieg geerbt und haben sich eine Weltordnung gezimmert, um diese Sondermacht in Reichtum zu verwandeln. Der Dollar wurde zur allgemeinen Währung, die ganze Welt wurde dem Dollar erschlossen bis hin zur Verdrängung des Goldes als Reservewährung. Im Kalten Krieg haben die USA sich dann Partnernationen herangezüchtet (zur Abschreckung der Sowjetunion), die jetzt in Form von der BRD und Japan zu den zwei entscheidenden Konkurrenten geworden sind.

* Andere Nationen müssen sich bereits in Fremdwährungen verschulden. Mit der Zurückzahlung dieser Schulden gehen sie somit Pflichten gegenüber anderen Nationen ein. Sie müssen Exporterfolge aufweisen, um die Schulden in ausländischer Währung zurückzahlen zu können. Länder denen der Staatsbankrott droht, bekommen durch die Institution des IWF Kredite vermittelt, um nicht aus dem Welthandel herausfallen. Dies dient auch zur Verhinderung einer Industrialisierung, die an den Bedürfnissen der jeweiligen Länder orientiert ist, da die Kredite des IWF nur für bestimmte Projekte, meist für den Exportsektor, gewährt werden.

* Die Spekulation des Staates im Hinblick auf die Staatsverschuldung ist nicht Beschränkung, Sparen und Rückzahlen, sondern die Spekulation ist: die ganze Nation umgruppieren, um so zu wachsen, daß die Staatsschuld getragen werden kann. Da kein Staat einen Gedanken daran verschwendet die Staatsschulden zurückzuzahlen, ist es nur logisch, daß eine kapitalistische Gesellschaft alle fünfzig, siebzig, hundert Jahre riesige Zusammenbrüche erleben muß.

* Einzige echte Schranke der Verschuldung ist der Außenwert der Währung, die Brauchbarkeit jenseits der Landesgrenzen. Wie verdient sich ein Staat diese Akzeptanz bzw. das Vertrauen in die eigene Währung bei fremden Nationen? Dadurch, daß er den Austausch der eigenen Währung gegen eine fremde jederzeit garantiert. Dazu braucht der Staat einen Schatz: die Devisenreserven; eine Verteidigung des Vertrauen in die eigene Währung durch mögliches Herausrücken von Devisen.

* Wie schafft ein Staat die Nachfrage nach der eigenen Währung? Durch ordentliche Exportüberschüsse – dabei werden, wenn eine Nation immer mehr verkaufen kann, andere Staaten zwangsläufig mittellos. Wer auswärtige Nachfrage nach seiner Währung stiften kann, kompensiert die innere Verschuldung. Diese Währung wird somit Reservewährung. Dies sind Gelder mit denen jede Nationalbank zahlungsfähig ist. Diese Währung wird somit zu einer internationalen Wertaufbewahrungsform. Ein Problem ist dann die zunehmende Finanzmanipulation, die die Nachfrage nach der Währung beeinflussen kann.

* Nach dem zweiten Weltkrieg kam eine Sonderlage zustande, da die USA die einzige Nation mit einer intakten Ökonomie war und eine militärische Hoheit gewonnen hatte. Der Dollar wurde zur Weltwährung. Ab 1970 haben sich auch andere Währungen als nützlich erwiesen, haben auch was getaugt. Die nationalen Hüter dieser Währungen wollten keinen Dollar mehr kaufen. Während der zwanzig Jahre bis 1990: die Sonderstellung des Dollars war vorbei, aber der Dollar war immer noch eine herausgehobene Währung; allein durch die Tatsache, daß die USA im Falle eines Krieges mit Kriegsschauplatz Europa als letzte Nation noch Reichtum verbürgen konnte.

* Der idyllische Zustand, daß sich die westlichen Nationen nicht gegenseitig in den Bankrott getrieben haben, war mit dem Ende des Kalten Krieges vorbei. Die Krise der kapitalistischen Länder, mit der z. B. die sozialistischen Staaten gerechnet hatten, kam nicht zustande, da eine grenzenlose Vermehrung der Kredite in allen Ländern stattfand, ohne daß die Strafe auf dem Fuß folgte. Diese Strafe findet nur in der Konkurrenz zwischen den Nationen statt, indem eine Währung keinen Wert mehr verspricht. Die Prosperität des Kapitalismus in jener Phase ist somit nur durch die Situation des Kalten Krieges zu erklären. Jetzt hat der Dollar seine ökonomische Stellung und seine Funktion als politische Währung verloren; jetzt stehen die Währungen (bsd. die der BRD, Japan und der USA) gegeneinander. Die Gleichung "ich mache Schulden und lasse sie als Geld kursieren" gilt nicht mehr für alle. Die Härte einer Währung ist nur noch das Spiegelbild der Schwäche einer anderen. Dies bedeutete auch das Ende der Methode, gemeinsam etwas gegen eine Unberechenbarkeit der Währungsentwicklungen unternehmen zu wollen. Der neue Schluß heißt: Deutschland sorgt mit deutschen Mittel dafür, daß die deutsche Währung von keinem in Zweifel gezogen werden kann. Das ist Standortpolitik. Standortpolitik heißt hier: Renationalisierung von Erträgen in einer längst global gewordenen Wirtschaft.

* Deutschland hat längst die Armut einer Exportnation überwunden. Früher war die benutzte Arbeit die einzige Quelle der Reichtumsvermehrung. Über das Finanzwesen und Kredite wird die Arbeit und der Reichtum aller anderen Nationen auch zum Mittel deutschen Reichtums gemacht.

* In Deutschland wird alles daran gesetzt, damit die Geschäfte von Deutschland ausgehen und sich dort konzentrieren; daß ein Zweifel in die Solidität der deutschen Währung gar nicht erst aufkommt. Unter diesem Gesichtspunkt findet eine Sortierung der Nation statt.

* Übertragen auf die Bildungspolitik: In der Vergangenheit hat die Nation nach innen einen Entwicklungsstandpunkt gegenüber ihren Potenzen gehabt: die Arbeitskraft, die Qualifikationen der deutschen Beschäftigten, sollte gefördert werden. Mitte der 60er wurde eine Bildungskatastrophe diagnostiziert. Im Grunde war das nur ein Vergleich mit den USA, der damaligen potentesten Nation. Dort wurde ein mehr an AkademikerInnen ausgemacht. Heute ist es andersherum: Die Nation hat 4 Millionen Arbeitslose und nicht das Problem, daß sie qualifizierte Leute bräuchte; es gibt von allen zuviel (AkademikerInnen, Lehrlinge) und das wird jetzt an der Uni bemerkbar. Der Staat kann ohne Verlust an den Unis sparen, da die Leute sich attraktiver machen müssen, nicht der Staat muß die Attraktivität herstellen.

* Die Bemühungen um den Standort Deutschland heißt nicht "Sparen", sondern anders Geld ausgeben; konsumtive Ausgaben streichen, investive Ausgaben fördern. Es wird kein Geld mehr für die Reproduktion der ArbeiterInnen aufgewendet. Aufwendungen finden nur noch für einheimische Produktion statt; am besten von Produktionsmitteln, die alle andere Staaten auch benötigen um konkurrenzfähig zu bleiben (bestes Beispiel ist die DDR: Investitionen nur noch in High-Tech-Bereich; ansonsten wird das Investieren unterlassen).