Gruppe 3

Terror

die Gegengewalt der Ohnmacht

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Eine politische Analyse der gigantischen Anschläge auf die Zentren der amerikanischen Macht gehört sich in diesen Tagen nicht. Wer sich fragt, welche politischen Ziele die Attentäter mit der Umfunktionierung von Verkehrsflugzeugen zu Massenvernichtungswaffen verfolgen, aus welchen Gründen sie eine so grundsätzliche Feindschaft gegen die USA hegen und welche ihrer nationalen Rechte sie durch die Supermacht verletzt sehen, gerät in den Verdacht, Verständnis für diese Unmenschen wecken zu wollen oder gar selbst mit dem Terror zu sympathisieren. Diese „menschenverachtenden Untaten“ dürfen nicht als politische Taten beurteilt werden. Wer das tut, verletzt – nach der gegenwärtigen political correctness – die Gebote der Menschlichkeit und steht am Rande des Landesverrats. In Bezug auf die „feigen Selbstmord-Attentäter“ gehört sich vollkommene Verständnislosigkeit: Das müssen „kranke Gehirne“ sein, die an „sinnlosen Wahnsinnstaten“ Gefallen finden, sich gezielt gegen „Unschuldige“ richten und sich durch den Selbstmord auch noch der gerechten Strafe für ihre „teuflischen Pläne“ entziehen.

Was die Menschlichkeit verlangt, teilen uns die Verantwortlichen in der Regierung und den Medien mit. Sie organisieren die „völlig unpolitische“, persönlich empfundene Trauer und Betroffenheit des deutschen Staatsbürgers, der gar nicht betroffen ist. Wie selten sonst bei Kriegen schult eine radikale Mitleids-Berichterstattung den Fernsehkunden darin, sich in die Lage der Opfer in den Türmen des World Trade Center und in den Schmerz ihrer Familien hineinzufühlen, damit die rechte distanzlose Parteinahme für das wahre Opfer des Terrors herauskommt: die USA. Arbeitgeber und Gewerkschaften, Bundesregierung und Kirchen ordnen Schweigeminuten, Arbeitsniederlegungen und Solidaritätsdemonstrationen an – nicht für die Toten, denen derlei ohnehin nicht mehr hilft – sondern für deren Staat, die „ins Mark getroffene Weltmacht“. „Heute sind wir alle Amerikaner“ und haben jedes Verständnis für das Bedürfnis nach Vergeltung, zu der „die USA jedes Recht haben“. So kurz ist der Weg vom unpolitischen menschlichen Mitleid zur Befürwortung von neuer Gewalt und noch mehr Tod – nun aber organisiert von den befugten Tätern und absehbarer Weise mit den richtigen Opfern, die unser Mitleid nicht verdienen.

Entgegen dem politisch korrekten Konsens, dass es dieser Tage um rein menschliches Mitgefühl und um Trauer zu gehen hat, können die Trauernden nämlich ganz gut politisch unterscheiden: Natürlich sind die bösen Täter die üblichen Verdächtigen: Radikale Araber und Islamisten, die ihre nationalen Ambitionen und ihre Kultur von der militärischen und ökonomischen Übermacht des Westens zerstört sehen und die Rolle der USA gegenüber den Ölstaaten, gegenüber Iran und Irak, sowie gegenüber den Palästinensern ganz unerträglich finden. Sie richten sich gegen die Weltordnung, die Deutschland an vorderster Stelle mit verantwortet und von der es immens profitiert. Und wenn die Amerikaner sich daran machen, diese Terroristen auszurotten, und Staaten, die sie gewähren lassen, zu zerstören, dann sind sie die Guten und ihre Leichen gehen in Ordnung. Die Bekämpfung amerikanischer Macht, das haben unsere Meinungsführer herausgefunden, richtet sich nicht gegen die USA, sondern gegen unsere Zivilisation überhaupt – gegen Liberalität, Toleranz und Gerechtigkeit. Wir schließen uns dem verlogenen nationalen Konsens nicht an und verweigern die geforderte „political correctness“. Wir nehmen uns die Distanz heraus, die es braucht, um die neue Art von Krieg gegen die Weltmacht ebenso zu analysieren, wie deren Antwort darauf.