Gruppe 3

Lebende Leichen

oder warum das "Manifest gegen die Arbeit“ auf keinen Fall eine Kapitalismuskritik ist

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Seit Jahren verkündet die Gruppe KRISIS den Untergang des Kapitalismus. Seit kurzer Zeit erfahren sie dabei immer mehr Interesse. Sowohl im linken als auch im bürgerlichen Lager finden sich Leute, die die KRISIS-Theorie spannend finden: Begeistert stürzen sich Feuilletonisten von Jungle World über Die Zeit bis hin zur FAZ auf die jeweiligen Machwerke, egal ob "Manifest gegen die Arbeit" oder "Schwarzbuch Kapitalismus" und besprechen sie eifrig. Neuerdings hat es einer der Chefdenker sogar zum Circular-Autor im Feuilleton-Blättchen "Süddeutsche Zeitung Magazin" gebracht.
Grund genug, ein wenig darüber ins Stutzen zu geraten, daß diejenigen, die sonst eher mit Fragen wie "Kopf ab – oder lieber doch nicht?" oder "Das System Kohl – Das System Rau; Grundkurs Demokratie: Bricht Schweigen die Verfassung?" die effektivste staatliche Herrschaftsausübung verhandeln, sich für einen linken Standpunkt interessieren. Auch das ZDF hielt es für nötig, unter dem Motto "Was wir vermissen werden – Marktwirtschaft oder Sozialismus" das " Kann das noch lange gut gehen?"-Problem unter Einbeziehung des Autors des "Schwarzbuch Kapitalismus" (mit Krisen kennen sich Linke ja bekanntlich aus!) zu besprechen.
Ausgangspunkt für die rege Teilnahme der bürgerlichen und linken Journaille ist der Evergreen der politischen Betreuung: die Arbeitslosigkeit. Die finden sie alle problematisch und von daher ist die KRISIS interessant für sie, weil sie die Arbeitslosigkeit nicht nur für problematisch, sondern für symptomatisch hält – ein Symptom des totalen Zusammenbruchs der gesamten westlichen Welt, wie sie geht und steht! Gruselig fasziniert ist die Öffentlichkeit von dem dramatischen Untergangsszenario, das da gezeichnet wird: Die Welt ist durch die "größte Untergangssekte aller Zeiten" – Die KRISIS meint damit den Kapitalismus – in eine Krise gestürzt worden, vor der es kein Entrinnen gibt und auch noch nie gab, wie sich gerade jetzt zeigt.
In unserer Kritik werden Zitate aus dem "Manifest gegen die Arbeit" beurteilt, die natürlich aus dem Zusammenhang gerissen sind – wir haben ja erstens nicht vor, diesen Text hier noch einmal zu veröffentlichen, und zweitens meinen wir, daß man die in den Zitaten enthaltenen Gedanken eben durchaus für sich würdigen kann. Wer also meint, man könne einen Gedanken nicht für sich untersuchen, sondern ihn nur im Zusammenhang verstehen, der soll dieses Heftchen gleich wieder aus der Hand legen und vor allen Dingen bloß nicht auf die Idee kommen, uns mit diesem Standpunkt zu behelligen. Auch den beliebten Einwand, es handele sich beim "Manifest" bloß um eine Agitationsschrift, nehmen wir nicht zur Kenntnis, denn Agitation geht schließlich auch nur mit Argumenten – man muß den Adressaten also schon hinsichtlich des Agitationsgegenstands überzeugen, und mit dem Anspruch tritt die KRISIS an und so wird sie hier auch behandelt.